Robert Knüsel-Glanzmann blickt auf eine spannende Zeit als Feuerwehr- und Polizeiseelsorger zurück. Nach vierjähriger Tätigkeit in diesem Amt geht der 69-Jährige per August in den Ruhestand.
Robert Knüsel-Glanzmann vor zwei Einsatzfahrzeugen der Polizei und Feuerwehr. Bild: Manuela Jans-Koch (Luzern, 10. Juli 2020)
«Meine Hauptaufgabe war es, für die Einsatzkräfte nach schwierigen Einsätzen da zu sein», sagt Robert Knüsel. Polizisten und Feuerwehrleute kommen oft unvermittelt mit schwierigen und anspruchsvollen Situationen in Berührung. Sie sind an vorderster Front mit dabei und müssen teils traumatisierende Erlebnisse verarbeiten. Knüsel erinnert sich an einen tragischen Fall in einer Luzerner Landgemeinde, bei dem die Peers der Feuerwehr Stadt Luzern gerufen wurde. «Die Ortsfeuerwehr musste einen Bauern bergen, welcher bei einem Arbeitsunfall eingeklemmt wurde und auf der Unfallstelle verstarb.» In einer kleinen Gemeinde komme es durchaus vor, dass die Feuerwehrleute die Opfer persönlich kennen. Dies erschwere die Verarbeitung eines Einsatzes.
Bei der Polizei sei das Spektrum noch breiter: Ein Mann, der seine Ehefrau mit einem Messer erstochen hat; ein Verkehrsunfall bei dem ein Kind ums Leben kommt. «Solche Bilder beschäftigen die Polizistinnen und Polizisten», erklärt Knüsel. Wie geht man als Seelsorger mit diesen Situationen um? Seufzend überlegt Knüsel einige Sekunden:
«Es ist mir gelungen einen Weg zu finden, wie ich solche Situationen verarbeiten kann.»
Er hätte auf Grund seiner Ausbildung zum Seelsorger und Theologen sowie dank einiger Weiterbildungen gewissermassen eine professionelle Distanz halten können. «Ich habe mich über viele Jahre in der Meditation geübt», ergänzt Knüsel. Dies helfe ihm, innerlich gesammelt zu bleiben. Zudem sei es ja seine Aufgabe, sich gemeinsam mit Feuerwehr- und Polizeiangehörigen der oft auch brutalen Realität zu stellen.
Knüsel war als Polizei- und Feuerwehrseelsorger Teil der Sondergruppe Peers. Diese wird nach schwierigen Einsätzen aufgeboten und stellt die psychologische Notfallintervention sicher. Dabei bekommen die beteiligten Einsatzkräfte die Möglichkeit, in geschütztem Rahmen über das Erlebte zu sprechen. Zudem werden sie auf einen guten Umgang mit möglicherweise traumatisierenden Erlebnissen hingewiesen.
Er ist nah bei den Einsatzkräften
Bei der Luzerner Polizei arbeiten rund 860 Mitarbeitende, die Feuerwehr Stadt Luzern zählt 34 Mitarbeitende bei der Berufsfeuerwehr und 250 Angehörige der Milizfeuerwehr. Damit möglichst viele Polizistinnen und Polizisten den Seelsorger kennen lernen konnten, begleitete Knüsel regelmässig die Polizeipatrouillen durch die Nacht:
«Es ging darum, möglichst nahe bei den Polizeiangehörigen und deren Themen zu sein.»
Die Mitarbeitenden der Polizei sollten die Möglichkeit haben, den Seelsorger konkret wahrzunehmen. Dem gleichen Ziel diente das Mitmachen bei Übungen der Feuerwehr. Dabei seien durchaus persönliche und spontane Gespräche entstanden.
Besonders nahe ging Knüsel die Begegnung mit einem Polizisten, der bei einem Einsatz schwere Verletzungen erlitt und bleibende gesundheitliche Probleme davontrug. Diesen Polizisten traf Knüsel mehrmals im Jahr zum Gespräch – auch solche Tätigkeiten gehörten zu seinem Beruf und wurden von den Betroffenen extrem geschätzt. Die Einsatzkräfte seien auch mit persönlichen Anliegen zu familiären Angelegenheiten zu ihm gekommen. Zudem begleitete er als Seelsorger auch einige Polizei- und Feuerwehrangehörige bei ihrer Heirat. Er bereitete gemeinsam mit ihnen die Trauung vor und gestaltete ihre Hochzeitsfeier ihrer religiösen Überzeugung entsprechend.
Der Kern seiner Arbeit bei der Polizei und Feuerwehr war immer der konkrete Mensch und die Frage: «Wie geht es dir?» oder «Was brauchst du, damit es dir gut geht?»
Schweizer Polizisten machen sich Gedanken zu Racial Profiling
Jüngst erschreckte der Tod des Afroamerikaners George Floyd die ganze Welt – die Debatte rund um Racial Profiling entbrannte auch hierzulande neu. Unter Racial Profiling versteht man, wenn Menschen rein auf Grund ihres physischen Erscheinungsbildes oder ethnischer Merkmale polizeilich kontrolliert werden.
Knüsel erklärt, dass sich auch Polizeiangehörige in der Schweiz Gedanken zu diesem Thema machen: Unlängst begleitete er Polizisten bei einer Durchsuchung im Zusammenhang mit Drogen. Dabei kam es zu mehreren Festnahmen und er hat festgestellt, dass die Polizei ihre Arbeit sorgfältig aber gezielt durchführt.
Harte Schale – weicher Kern
Der Polizei- und Feuerwehrseelsorger wirkte auch bei speziellen Anlässen mit und brachte «in einfachen Symbolen die tragende religiöse Kraft ins Spiel». So drückte Knüsel bei einer Vereidigungsfeier jeder Polizistin und jedem Polizisten eine Nuss in die Hand.
Die Nuss diene als Symbol für uns Menschen, oft mit harter Schale aber jedenfalls im Kern ganz kostbar. So machte Knüsel den Polizeiangehörigen Mut, gut mit sich selber umzugehen: «Ihr braucht bei euren Einsätzen oft eine harte Schale, erinnert euch aber auch daran, dass ihr einen weichen Kern habt! Tragt Sorge zu euch und diesem kostbaren Kern in euch!»
Laufbahn startete mit ehrenamtlicher Jugendarbeit
Knüsel wusste schon in seiner Jugendzeit, dass er beruflich etwas mit Theologie und Spiritualität machen will. Aufgewachsen ist er mit fünf Geschwistern auf einem Bauernhof in Egolzwil, heute wohnt er in Flüeli Ranft. In Sursee absolvierte er die Mittelschule und wechselte dann an die Kanti in Luzern. Schon früh engagierte er sich ehrenamtlich in der Jugendarbeit. Dies habe seine berufliche Laufbahn wesentlich mitgeprägt. Er wollte mit Menschen zusammenarbeiten und habe sich daher dazu entschieden, Theologie zu studieren.
Die ersten zwölf Berufsjahre war er in der Jugendarbeit tätig. Als seine Kinder in die Schule kamen, wechselte er in die Pfarreiarbeit. Weiterbildungen im Bereich Supervision und Coaching kamen dazu. Vor seiner Arbeit als Feuerwehr- und Polizeiseelsorger war er als Gemeindeleiter der Katholischen Pfarrei Buchrain-Perlen tätig. «Ich wollte mich gerne noch über die Pensionierung hinaus engagieren», daher trat er mit 66 Jahren die Stelle bei der Feuerwehr Stadt Luzern und der Luzerner Polizei an. Zuvor war die Stelle drei Jahre lang vakant.
Enkelkinder halten ihn auf Trab
In der Freizeit ist Knüsel musikalisch und sportlich unterwegs: Er singt beim Polizeimännerchor Luzern und ist seit rund einem Jahr auch beim Jodlerklub Fruttklänge in Kerns mit dabei. Zudem geht er gerne wandern oder macht Touren mit dem E-Bike.
Einmal im Monat trifft er sich in einer Gruppe zum Jassen. Seine drei Enkelkinder im Alter von drei, fünf und sieben Jahren halten ihn auf Trab. Er verbringt auch gerne Zeit in seinem Garten. Für all diese Tätigkeiten wird er künftig mehr Zeit haben.