Küssnachter Südumfahrung: Ein gigantisches Bauwerk wird eingeweiht

Nach fünf Jahren Bauzeit, wird heute der Tunnel Burg der Südumfahrung Küssnacht offiziell eingeweiht – ein Bauprojekt mit langer Vorgeschichte.

Endlich ist es so weit: Das wird sich wohl manch ein Küssnachter heute denken. Der 500 Meter lange Tunnel Burg vom Ebnet in die Räbmatt wird heute Nachmittag nach fünfjähriger Bauzeit im Rahmen einer kleinen Feier offiziell eingeweiht. Das geplante Volksfest kann coronabedingt nicht stattfinden. Der Tunnel ist das Herzstück, der insgesamt 1,23 Kilometer langen ersten Etappe der Südumfahrung. Morgen wird er für den Verkehr freigegeben.

 

Die ersten 152 Meter des Tunnels beim Nordportal wurden im Tagbau realisiert. «Beim Tagbautunnel wurde zuerst eine Grube ausgehoben. Darin wurde der Tunnel gebaut, bevor die Grube wieder zugeschüttet wurde», erklärt Kurt Waber, Oberbauleiter des Projekts Südumfahrung Küssnacht. Die Bagger haben hierfür rund 55'700 Kubikmeter Erde ausgehoben. Die restlichen 348 Meter des Tunnels wurden im bergmännischen Ausbruch erstellt. Dabei haben die Arbeiter seit dem Tunnelanstich im September 2016 rund 45'000 Kubikmeter Gestein ausgebrochen und rund 8500 Kubikmeter Spritzbeton eingebaut.

 

Probleme beim Bau wegen geologischen Begebenheiten

Der Tunnelbau war alles andere als einfach. Die Mineure hatten nach der Hälfte der Ausbrucharbeiten, im Juli 2017 mit einem unerwarteten Wasserzutritt zu kämpfen – die Vortriebsarbeiten mussten eingestellt werden. Mittels Erkundungsbohrungen suchten die Verantwortlichen nach den Ursachen des Wasserzutritts. Die Bauherrschaft hatte umdisponiert und entschied, mit dem Vortrieb auf der Südseite zu beginnen.

 

Im September mussten die Arbeiten erneut unterbrochen werden: Eine Sandlinse entleerte sich. An der Erdoberfläche entstand in einem Garten, zehn Meter von einem Mehrfamilienhaus entfernt, ein acht Meter tiefes und fünf Meter breites Loch.

Das acht Meter tiefe und fünf Meter breite Loch oberhalb des Tunnels. Bild: Keystone

Mehrere Tonnen Sand stürzten in den Tunnel. «Mit solch einem Szenario muss man im Tunnelbau im Lockergestein immer rechnen, darauf ist man vorbereitet», sagt Waber. Es sei jedoch das Worst-Case-Szenario. Glücklicherweise sei niemand zu Schaden gekommen. Nach diesen Vorfällen wurde das Sicherungskonzept neu beurteilt und überarbeitet. Waber: 

«Das Material hat sich anders verhalten als wir nach den vorgängigen Labortests der Sondierbohrungen erwartet haben.»

 

Die geologischen Begebenheiten seien schwierig gewesen – der Tunnel verläuft fast ausschliesslich durch Seeablagerungen und Schotter. Später wurde von beiden Seiten her gebohrt und zusätzliche Sicherungen ausgeführt. Die Zwischenfälle sorgten letztlich für eine Verzögerung von rund einem Jahr, obwohl der gesamte oberirdische Teil nördlich des Tunnels rund ein Jahr früher als geplant in Betrieb genommen werden konnte. 

 

 Oberbauleiter Kurt Waber im Juli 2018 auf der Baustelle. Bild: Pius Amrein

 

Der Oberbauleiter resümiert: «Es war ein spannendes und anspruchsvolles Projekt, das ich mit einem tollen Team realisieren durfte.» In den nächsten Tagen werden die technischen Anlagen getestet, dabei könne es zu Beginn durchaus zu Fehlalarmen kommen. In einem Brandfall kann der Tunnel in der Mitte über einen 65 Meter langen Fluchtstollen verlassen werden. Ein 14 Meter hoher Treppenschacht führt bei der Seebodenstrasse ans Tageslicht. Auch für Oliver Ebert, Statthalter des Bezirks Küssnacht, ist der heutige Tag besonders: 

 

«Endlich kann der Dorfkern umfahren und entlastet werden.»

 

Es sei eine grosse Genugtuung, dass der Tunnel nun der Bevölkerung übergeben werden könne.

Projekt kostet mehr als erwartet

Die Schwierigkeiten beim Tunnelbau verursachten Mehrkosten. Genaue Zahlen könne man noch keine nennen, da die definitive Bauabrechnung noch nicht vorliege, sagt Waber. Der damalige Schwyzer Baudirektor Othmar Reichmut rechnete beim Tunneldurchstich 2018 mit höchstens acht Millionen Franken Mehrkosten. Der Schwyzer Kantonsrat genehmigte 2014 den Verpflichtungskredit von 125,77 Millionen Franken für die erste Etappe der Südumfahrung. Dieser umfasst die eigentliche Südumfahrung vom Ebnet bis in die Räbmatt (119,20 Millionen Franken), die Verbindung Zuger-/Artherstrasse (3,55 Millionen Franken) und die Strassenabwasserbehandlungsanlage Giessenbach (3,02 Millionen Franken). 

 

Eine Fahrt durch den neuen Tunnel:

Video: PilatusToday

Letztere zwei Projektteile wurden bereits früher in Betrieb genommen, genauso wie die oberirdischen Strassenabschnitte im Gebiet Ebnet. 61 Prozent der Kosten trägt der Kanton Schwyz, 39 Prozent der Bezirk Küssnacht. Gemäss Verpflichtungskredit sind das rund 79,1 Millionen Franken zu Lasten des Kantons und rund 46,7 Millionen zu Lasten des Bezirks. Zusätzlich kommt der Bezirk für die Kosten der Tunnelverlängerung auf: Aus lärmschutztechnischen Gründen wollte der Bezirk den Tunnel verlängern – 5,4 Millionen Franken kostet dies. 

 

Neue Zentrumsgestaltung folgt

Damit die Südumfahrung ihre volle Wirkung entfalten kann, werden im Dorfzentrum diverse flankierende Massnahmen eingeleitet. Unter dem Namen «Neue Zentrumsgestaltung» will Küssnacht auch den Verkehr und die Strassenraumgestaltung im Dorf grundlegend verändern. Vor einem Jahr wurde das Bauprojekt für die Umgestaltung vom Dorfkern bewilligt – dieses befindet sich aktuell in der Detailplanung. Gegen dieses Projekt hatten unter anderem drei Merlischacher Einsprache erhoben. Sie monierten, dass zu wenige Grünflächen und zu viel einheitlicher Asphalt geplant sei. Der Bezirksrat ging nicht auf die Beschwerde ein, da die Merlischacher nicht direkt vom Projekt betroffen seien.

 

Daraufhin sammelten sie Unterschriften für eine Pluralinitiative. Diese fordert die Umsetzung der Anliegen und ein zusätzliches Budget von 2,8 Millionen Franken. Der Bezirksrat erklärte die Initiative für ungültig – sie bestehe die Gültigkeitsprüfung gemäss Gemein­deorganisationsgesetz des Kantons Schwyz nicht. Die Initianten haben den Entscheid an das Schwyzer Verwaltungsgericht weitergezogen:

 

«Wir sind unseren Unterzeichnern schuldig, dass eine unabhängige Instanz den Bezirksentscheid überprüft.»

 

Bezirksrat René Hunziker ist zuversichtlich, dass im Sommer 2021 mit den Bauarbeiten begonnen werden kann: «Die neue Zentrumsgestaltung wird die Aufenthaltsqualität im Dorfzentrum erheblich steigern», sagt er.

 

Die nachfolgenden Visualisierungen zeigen, wie das Küssnachter Dorfzentrum gemäss dem bewilligten Bauprojekt künftig aussehen soll:

Visualisierungen: PD

Bereits ab morgen gilt ein neues Verkehrsregime mit neuen Signalisationen und 30er-Zonen im Dorfzentrum. Neu gilt unter anderem auf der Bahnhofstrasse, Oberdorfstrasse und der Bodenstrasse Tempo 30. Damit herrscht praktisch im gesamten Küssnachter Dorfzentrum Tempo 30. Zudem wird die Einfahrt in die Luzernerstrasse aus Richtung Merlischachen geschlossen, genauso wie die Durchfahrt Litzistrasse. Die nachfolgende Grafik zeigt das neue Verkehrsregime. 

Das politische Ringen um zwei Etappen

Die Küssnachter warten schon lange darauf, dass der historische Dorfkern vom Durchgangsverkehr entlastet wird. Vor rund 50 Jahren rollte der gesamte Nord-Süd-Verkehr durch das Dorfzentrum, bei der Eröffnung der Nordstrasse im Jahr 1972 entschärfte sich das Problem. Dennoch: Heutzutage fahren täglich rund 16'000 Fahrzeuge über den Hauptplatz im Zentrum Küssnachts. Der Kanton Schwyz prognostiziert für den neu gebauten Tunnel Burg eine Belastung von rund 10'000 Fahrzeugen pro Tag. Die Idee einer südseitlichen Umfahrungsstrasse wurde im Rigidorf schon vor Jahrzehnten diskutiert – stets gab es Widerstand und die Vorschläge wurden immer wieder verworfen. 2007 kam die Südumfahrung schliesslich vor den Küssnachter Souverän. Seither kam es zu mehreren, teils hart umkämpften Abstimmungen im Bezirk, bis zum kantonalen Verpflichtungskredit im Jahr 2014.

 

 

Die Südumfahrung wurde in zwei Etappen geplant. Mit der Einweihung des Tunnels Burg ist die Erste Etappe fertiggestellt. Jetzt kann die zweite Etappe folgen, die ihrerseits lange umstritten war. Der Bezirksrat plante den zweiten Abschnitt (Räbmatt-Breitfeld) ursprünglich aus Kostengründen oberirdisch – mitten durch Landwirtschaftsland. Die Küssnachter bevorzugten jedoch eine unterirdische Lösung mit einem Tunnel. Der Baukredit für die zweite Etappe wurde im Jahr 2012 an der Urne äusserst knapp mit 23 Stimmen Differenz abgelehnt. Nur gerade ein Jahr später reichte die Arbeitsgruppe Süd-PLUS bei der Bezirkskanzlei eine Pluralinitiative ein. Diese verlangte die Planung des zweiten Abschnitts als kompletter Tunnelbau – ein Planungs- und Baukredit soll vorgelegt werden. Die Zustimmung an der Urne war mit 74 Prozent deutlich.

 

 

Im Mai 2017 wurde das Vorprojekt dem Stimmvolk vorgelegt. 63,2 Prozent der Abstimmenden sagten Ja zum Verpflichtungskredit von 116,5 Millionen Franken – über ein derart teures Geschäft stimmten die Küssnachter zuvor noch nie ab. Mit dem Bau der zweiten Etappe von der Räbmatt bis zum Breitfeld dürfte frühestens 2028 begonnen werden.