Die Zuger Unihockeyspielerin Isabelle Gerig wechselt in die weltbeste Liga nach Schweden zu Endre IF. Die 22-Jährige spricht über den Schweizer-Meistertitel, den Schweden-Transfer und das Training im Chamer Spitzensportzentrum OYM.
Isabelle Gerig auf dem Sportplatz in Rotkreuz, wo sie insbesondere während der zweimonatigen Wettkampfpause oft trainierte. (Bild: Dominik Wunderli (Rotkreuz, 18. April 2021)
Auf Isabelle Gerig wartet die ganz grosse Unihockeybühne. Die 22-jährige Flügelstürmerin der Kloten-Dietlikon Jets hat einen Zweijahresvertrag bei Endre IF in der Svenska Superligan (SSL), der höchsten Liga Schwedens, unterschrieben. Auf der schwedischen Insel Gotland wird sie sich gänzlich auf das Unihockey konzentrieren können. Unsere Zeitung hat Gerig auf dem Sportplatz in Rotkreuz zum Interview getroffen. Nach dem Termin widmet sie sich direkt wieder ihrem Studium – sie schliesst demnächst ihre Bachelorarbeit ab.
Vor einer Woche haben Sie mit den Kloten-Dietlikon Jets den Schweizer-Meister-Titel gewonnen. Was bedeutet der dritte Meistertitel für Sie persönlich?
Dieser Meistertitel ist sehr viel wert. Vor allem, weil diese Saison coronabedingt etwas speziell war. Die Saison wurde beinahe zwei Monate lang unterbrochen. Wir mussten individuell trainieren und viel in die Physis investieren.
Sie waren mit 17 Skorerpunkten in den Playoffs massgeblich am Titel beteiligt. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Dies ist schwierig zu sagen. Ich hatte sehr gute Linienpartnerinnen, mit denen ich schon lange zusammenspiele – unter anderem auch in der Nationalmannschaft. Zudem war ich körperlich fitter, da ich in der zweimonatigen Pause fast nur in die Physis investierte, dies war sicher ein grosser Vorteil.
Nun wartet in Schweden die beste Unihockeyliga der Welt. Besser könnte es sportlich nicht laufen.
Ja, ich kann mich sicher nicht beklagen. Angebote aus Schweden hatte ich schon seit mehreren Jahren erhalten. Jetzt ist aber der perfekte Zeitpunkt für einen Wechsel. Physisch bin ich auf einem Level wie noch nie zuvor. Auch stocktechnisch läuft es mir gerade nicht schlecht. Daher ist die Zeit reif, um dieses Abenteuer zu starten.
Zur Person
Die 22-jährige Isabelle Gerig aus Rotkreuz studiert Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Immobilien an der Hochschule Luzern – im Sommer wird sie den Bachelor abschliessen. Gerig begann im Alter von sechs Jahren mit Unihockey – seit sechs Jahren spielt sie in der höchsten Schweizer Liga. Bereits mit 16 wechselte sie von Zug zu den Kloten-Dietlikon Jets. Mit den Jets gewann sie dreimal die Meisterschaft und dreimal den Cup. Die Flügelstürmerin avancierte in den letzten Jahren zu einer Leistungsträgerin, sowohl in ihrem Verein wie auch im Nationalteam. Die 38-fache Nationalspielerin hat schon mehrfach bewiesen, dass sie eine Frau für die grossen Spiele ist. Bei der Heim-WM 2019 in Neuenburg war sie die erfolgreichste Schweizer Skorerin – im packenden Halbfinal gegen die Tschechinnen war sie an sechs Toren beteiligt.
Sie haben bereits im Alter von 18 Jahren das erste Angebot aus Schweden erhalten. Wie ist der Transfer zu Endre IF zu Stande gekommen?
Mit 18 hatte ich zum ersten Mal mit diesem Verein Kontakt. Ich war damals ein Wochenende lang auf der Insel und konnte mir alles anschauen, mit den Verantwortlichen sprechen und einen Ausflug mit Spielerinnen machen. Dies hat mir beim jetzigen Entscheid geholfen. Ich habe mit dem Trainer eine Stunde lang telefoniert, und das Gesamtpaket passte bei Endre am besten.
Mit wie vielen Vereinen standen Sie für die kommende Saison in Kontakt?
Ich habe mit vier Vereinen intensiv Gespräche geführt. Zudem übernahm ein Spieleragent aus Schweden die Vertragsverhandlungen, damit ich mich auf die anderen Aspekte konzentrieren konnte.
Was war das ausschlaggebende Argument für Endre?
Mein Bauchgefühl sagte mir, dass Endre der richtige Verein ist. Mein Besuch ist bestimmt auch ausschlaggebend gewesen. Und eben: Ich habe mit dem Trainer eine Stunde lang gesprochen – Trainer sind ein wichtiger Faktor, wenn es um die Vereinswahl geht.
Wie stellen Sie sich Ihren Schweden-Einstand vor?
Ich mache mir nicht zu grosse Hoffnungen und auch nicht zu viel Druck. Es wird alles neu für mich: eine neue Sprache und ein neues Umfeld. Ich denke, dass ich zuerst Eingewöhnungszeit brauche. Ich kann nicht die Erwartung haben, dass ich jeden Match spielen werde und gleich von Beginn an die gleiche Leistung wie in der Schweiz zeigen kann. Wenn es gut läuft, werde ich in der heissen Phase, sprich in den Playoffs, hoffentlich meine Fähigkeiten unter Beweis stellen können.
Das tönt eher bescheiden.
Ich würde eher realistisch sagen. Wenn ich mit zu hohen Erwartungen nach Schweden gehe, wird die Enttäuschung umso grösser sein, falls es nicht wie gewünscht laufen sollte.
Der Sportchef der Kloten-Dietlikon Jets, Mark Rebsamen, lobt Sie in den höchsten Tönen. Dem Zürcher Unterländer sagte er: «Was Isabelle Gerig mit Ball und Stock tut, kann so keine auf dieser Welt.»
Ja, Mark hat das gesagt. (lacht) Ich würde diese Aussage aber nicht unterschreiben. Ich habe sicher ein gewisses Talent am Stock, das man sich wahrscheinlich auch mit viel Übung nicht aneignen kann. Da habe ich definitiv Glück. Wenn ich das auf dem Feld zeigen kann, dann ist es umso besser.
Mit Michelle Wiki und Tanja Stella wechseln zwei Ihrer Teamkolleginnen ebenfalls nach Schweden, beide zu Sirius. Weshalb gibt es diese Aufbruchstimmung bei den Jets?
Beide spielten schon einmal in Schweden und haben unterschiedliche Beweggründe: Michelle Wiki macht eine Weiterbildung, die sie optimal mit dem Schweden verbinden kann. Tanja Stella zieht es unter anderem wegen ihres Partners nach Schweden. Ich bin rund zehn Jahre jünger als sie und möchte mich voll und ganz auf das Unihockey konzentrieren.
Welche sportlichen Ziele verfolgen Sie in Ihrem neuen Verein?
Endre hat ein starkes Kader, daher möchte ich viel Spielzeit bei wichtigen Spielen erhalten. Mit dem Team möchte ich möglichst weit in den Playoffs kommen, vielleicht sogar in den Final. Zudem soll die Zeit in Schweden eine Vorbereitung für die Weltmeisterschaft im Dezember sein.
Wie wird Ihre Rolle im Team aussehen?
Dies ist schwierig zu sagen. Darüber habe ich mit dem Verein noch nicht gesprochen. Ich wurde zumindest als «guter Transfer» kommuniziert, daher hoffe ich, dass ich eine wichtige Rolle auf dem Feld einnehmen kann.
Inwiefern unterscheidet sich das schwedische Unihockey zu jenem in der Schweiz?
Am besten fragen Sie mich in einem Jahr nochmals. (lacht) Vom Hörensagen ist das schwedische Unihockey viel technischer. Ich habe mir einige Videos angeschaut – was diese Spielerinnen am Stock können, sieht man in der Schweiz selten.
Worauf freuen Sie sich am meisten?
Unihockey hat in Schweden einen ganz anderen Stellenwert als in der Schweiz. Ich freue mich, dies live erleben zu können. Die Differenz zwischen dem schlechtesten und dem besten Team der Liga ist viel kleiner als bei uns. In Schweden kann durchaus der Tabellenführer gegen das Tabellenschlusslicht verlieren – bei jedem Spiel muss man voll parat sein. Zudem sind die Trainings auf einem höheren Niveau.
Wie wird für Sie ein typischer Tag abseits des Trainings- und Wettkampfbetriebs aussehen?
Nebenbei möchte ich noch etwas Geld verdienen. Der Verein hilft mir, einen Job zu finden. Trotz Konzentration aufs Unihockey will ich arbeiten und ein soziales Umfeld aufbauen.
Selbst im Land des Unihockeys ist es notwendig, nebenbei Geld zu verdienen, damit man über die Runden kommt?
Ja. Und ohne Job wüsste ich nicht, was ich den ganzen Tag machen soll.
Auch in der Schweiz sind die Bemühungen da, Unihockey zunehmend zu professionalisieren.
Die TV-Ausstrahlungen der Playoff-Spiele sind auf jeden Fall hilfreich. Ich habe das Gefühl, dass die Leute immer mehr Unihockey verfolgen. Dennoch braucht es noch viel auf dem Weg zur Professionalisierung. Bei den Männern gibt es bereits einige Halbprofis – die seit kurzem mögliche Spitzensport-RS trägt positiv dazu bei.
Seit Januar trainieren Sie im OYM in Cham. Wie haben Sie sich im modernsten Sportzentrum der Welt eingelebt?
Sehr gut. Es ist unglaublich cool, dort trainieren zu können. Das Trainingsumfeld könnte nicht besser sein, und ich sehe auch Fortschritte auf dem Feld. Im OYM zu trainieren, war eine sehr gute Entscheidung, obwohl es nicht immer lässig ist, dort zu leiden. (lacht)
Das heisst?
Die Trainings sind extrem anstrengend. So muss es aber sein, wenn man Fortschritte machen will.
Wie sieht ein klassisches Training aus?
Ich bin drei Tage pro Woche im OYM. Kurz vor dem Mittag habe ich jeweils ein Krafttraining, Ausdauertraining oder eine Physioeinheit. Danach esse ich jeweils im OYM. Nach dem Mittag oder am frühen Nachmittag gehe ich nach Hause und arbeite für das Studium. Am Dienstag bin ich jeweils den ganzen Tag im OYM und absolviere mehrere Trainingseinheiten.
Was ist für Sie der grösste Mehrwert im OYM?
Alles ist wissenschaftlich basiert und die Trainer sind sehr kompetent. Das bringt mich weiter. Auch der Austausch mit anderen Spitzensportlern ist viel wert.
Die Saison in Schweden startet in rund sieben Monaten. Wann reisen Sie in den hohen Norden?
Wahrscheinlich Anfang oder Mitte August. Somit werde ich vor dem Saisonstart genügend Zeit haben, um mich einzuleben und mich mit dem Team vorzubereiten.
Bis dorthin werden Sie noch fleissig Schwedisch lernen?
Aktuell bereitet mir mein Studium noch genügend Arbeit. Mit der Sprache befasse ich mich, wenn ich dort bin. Dann wird mir auch gar keine andere Wahl bleiben.
Sie haben einen Zweijahresvertrag unterschrieben. Planen Sie Ihre Zukunft längerfristig in Schweden?
Es kommt drauf an, wie die erste Saison verläuft. Mein Vertrag lässt die Option offen, dass ich nach einem Jahr wieder nach Hause gehen könnte. Es kann durchaus sein, dass ich die nähere Zukunft in Schweden plane.