Schneller als vom Gesetz erlaubt: Auf Luzerns Strassen sind getunte E-Bikes unterwegs

Branchenkenner sagen: Auch im Kanton Luzern frisieren Velofahrer ihr E-Bike. Wie viel Elektrovelos illegal auf Luzerner Strassen unterwegs sind, lässt sich nicht sagen – doch das Thema ist der Luzerner Polizei bekannt.

 

Werden «langsame» E-Bikes frisiert, leistet der Motor bis zu einem Tempo von 50 Stundenkilometern Unterstützung. / Bild: Gaetan Bally

Velos gehören zum Luzerner Stadtbild – und immer häufiger sind sie mit einem Elektromotor ausgestattet. Der Siegeszug des E-Bikes hält an: Allein im Jahr 2020 wurden landesweit über 171'000 motorisierte Velos verkauft, wie Zahlen des Branchenverbands Velosuisse zeigen. Tendenz steigend. Einigen Velofahrerinnen und Velofahrern reicht die herkömmliche Elektrounterstützung nicht aus – sie frisieren ihr E-Bike und heben somit die Geschwindigkeitsbegrenzung des Motors an, oder sogar ganz auf.

 

 

Software wird ausgetrickst

Die Leistungssteigerung am E-Bike lässt sich mit wenigen Handgriffen umsetzen. Ein Blick ins Internet zeigt: Entsprechende Tuningsets gibt es für rund 150 Franken zu kaufen. Mit den Tuningteilen wird nicht der Motor modifiziert, sondern die Steuerelektronik des E-Bikes überlistet: Konkret wird dem System ein langsameres Tempo suggeriert. Hierfür können zum Beispiel sogenannte Dongles – ein Kabelsatz mit einem Stecker – verwendet werden.

 

Der Geschwindigkeitssensor des E-Bikes wird abmontiert und mit dem Tuningset verkabelt. Wenn man jetzt den Dongle einsteckt, zeigt das Display ab einer Geschwindigkeit von 20 km/h nur noch die Hälfte der eigentlichen Geschwindigkeit an – der Motor, welcher eigentlich bei 25 km/h abriegeln würde, leistet jetzt bis 50 km/h Unterstützung.

 

 

 

Das Display zeigt bei getunten E-Bikes meist nicht die richtige Geschwindigkeit an. / Bild: Pascal Linder

Eine weitere Möglichkeit, das E-Bike aufzupeppen, ist Chip-Tuning – auch hier wird dem Steuersystem eine falsche Geschwindigkeit vorgegaukelt. Der Geschwindigkeitsmagnet an den Speichen wird minim verschoben und über dem Magnetsensor wird eine kleine Box montiert. Diese Box ist dafür verantwortlich, dass die eigentliche Geschwindigkeit gedrittelt wird. Theoretisch leistet der Motor in diesem Zustand Unterstützung bis 75 km/h, was allerdings aus Übersetzungsgründen nicht möglich ist.

 

 

Getunte E-Bikes sind illegal

Ein E-Bike zu tunen, ist per se nicht verboten – doch es ist illegal mit dem manipulierten Velo auf öffentlichen Strassen zu fahren. Nur auf Privatgrundstücken darf es gefahren werden, weil das Velo durch die Tuning-Massnahmen die gesetzlichen Vorgaben nicht mehr einhält. Ein E-Bike gilt nämlich nach dem Tuning nicht mehr als Velo, sondern als Kleinkraftrad, welches zusätzlichen Vorgaben entsprechen muss.

 

 


Zwei Arten von E-Bikes

Zu kaufen gibt es zwei verschiedene Arten von E-Bikes: «langsame» E-Bikes mit einer Tretunterstützung bis 25 km/h und «schnelle» E-Bikes – sogenannte S-Pedelecs –, die bis 45 km/h Unterstützung leisten. Bei Letzteren gilt eine Helmpflicht, die Velos brauchen eine Haftpflichtversicherung und sie müssen beim Kanton angemeldet werden. Beim Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern sind derzeit 8309 E-Bikes eingelöst, wie das Strassenverkehrsamt Luzern auf Anfrage sagt. (Stand 06. September 2021) 


Velohändler machen beim Tuning-Trend nicht mit

 

Unsere Zeitung hat bei mehreren Velohändlern aus der Stadt und Agglomeration Luzern nachgefragt, wie sie mit dem Thema E-Bike-Tuning umgehen. Die Antworten sind deckungsgleich: Alle Händler haben schon entsprechende Kundenanfragen erhalten. Doch Tuningteile verkauft oder verbaut keiner der angefragten Läden.

 

Marius Graber, Geschäftsführer von Velociped in Kriens, hat eine klare Haltung zum E-Bike-Tuning: Auch in seinem Fachgeschäft werden keine E-Bikes getunt und auch keine Tuning-Teile verkauft, obwohl sich durch den reinen Verkauf weder er noch der Kunde strafbar machen würde. Graber sagt: «Wir halten uns an die Regeln und erachten das Verbot als sinnvoll.» Der Wunsch nach schnelleren E-Bikes sei auch bei seiner Kundschaft da:

 

«Wir haben dann und wann Kunden, die nach E-Bike-Tuning fragen.»

 

Die Nachfrage sei in seinem Laden zwar nicht extrem hoch, aber sie sei da. Insbesondere E-Mountainbikes würden getunt, weil es da auf dem Markt kaum ein Angebot an schnellen Modellen gebe. Graber findet das unvernünftig und steht daher dem Tuning kritisch gegenüber: «Schnelle E-Mountainbikes haben auf den Trails nichts verloren, die Koexistenz von Wanderern, Trail-Runnern und Bikern in den Bergen ist auch so schon auf eine harte Probe gestellt und verlangt viel Rücksichtnahme.» Zudem sieht er auch ein Gefahrenpotenzial bei getunten E-Bikes, weil auf diese grössere Kräfte wirken. Die «langsamen» E-Bikes, die bis 25 km/h begrenzt sind, seien nicht konsequent für dauerhaft hohe Geschwindigkeiten ausgelegt:

 

«Mit getunten E-Bikes steigt die Durchschnittsgeschwindigkeit, dadurch nimmt auch die Belastung auf das Velo zu.»

 

Die «schnelleren» E-Bikes – solche mit gelben Nummernschildern – sind stabiler gebaut: mit robusteren Gabeln, grösseren Bremsscheiben und anderen Pneus. Zwar werden auch mit einem normalen Velo in einer Abfahrt schnell höhere Geschwindigkeiten erreicht – entscheidend sei jedoch die Durchschnittsgeschwindigkeit: Man unterscheide zwischen der Spitzenbelastung, welche jedes Velo aushalten müsse, und der Dauerbelastung.

 

 

Garantie verfällt nach Tuning

Getunt werden insbesondere die «langsamen» E-Bikes, weiss der Fachhändler. Denn durch Tuning ist es möglich, ein «schnelles» E-Bike ohne Haftpflichtversicherung zu fahren – illegal. Wichtig zu wissen: Wenn ein E-Bike einmal getunt wurde, geht der Anspruch auf die Herstellergarantie verloren. Sollte es zu einem Unfall kommen, besteht auch kein Anspruch auf Versicherungsleistungen, wie etwa der Touring Club Schweiz (TCS) warnt. Selbst wenn das Tuning wieder rückgängig gemacht wird, könne es nachgewiesen werden. Gemäss Graber komme es auch vor, dass getunte E-Bikes bei ihm zur Reparatur in der Werkstatt landen. In solchen Fällen weise er die Kundschaft darauf hin, dass Tuning festgestellt worden und damit ein allfälliger Garantieanspruch erloschen sei.

 

Graber warnt vor den unangenehmen Folgen, im Falle eines Unfalls mit einem getunten E-Bike: Verursache man einen Unfall, müsse man damit rechnen, dass Grobfahrlässigkeit vorgeworfen werde und die Haftpflichtversicherung ihre Leistung reduziere, oder gar ganz aussetze. Graber sagt: «Bei einem Blechschaden mag das noch verkraftbar sein, bei ein Personenschaden kann das sehr übel werden.»

 

 

 

Nach dem Tuning hat man keinen Garantieanspruch mehr. / Bild: Pascal Linder

Aktive Kontrollen stehen bei der Luzerner Polizei nicht im Vordergrund

In einer kürzlich erschienenen Dokumentation des deutschen Senders Focus TV sagt ein Polizeibeamter der Darmstädter Polizei: «Man geht grob davon aus, dass jedes zweite E-Bike frisiert wird.» Womöglich ist diese Schätzung etwas gar hoch angesetzt. Doch klar ist: Frisierte E-Bikes stellen bei unseren Nachbarn im Norden ein Problem dar, und entsprechend geht die Polizei aktiv gegen illegal getunte E-Bikes vor. Bei der Luzerner Polizei sieht dies etwas anders aus. Auf Anfrage heisst es:

 

«Das Thema E-Bike-Tuning ist unseren Mitarbeitenden bekannt. Gezielte Kontrollen stehen nicht im Vordergrund, sind aber auch nicht ausgeschlossen.»

 

Die Mitarbeitenden der Luzerner Polizei hätten eine spezifische Schulung zum Thema Trendfahrzeuge erhalten. Die entsprechenden Ausbildungsunterlagen seien jederzeit für alle zugänglich und würden laufend um die neuesten Entwicklungen ergänzt. Die Luzerner Polizei schreibt:

 

«Die Erkennbarkeit von getunten E-Bikes hat viel mit der Erfahrung unserer Frontleute zu tun.»

 

Wie viele getunte E-Bikes der Luzerner Polizei bereits ins Netz gegangen sind, lasse sich nicht beantworten. «Wird ein getuntes E-Bike festgestellt, so erfüllt das Fahrzeug die Zulassungsvorschriften nicht und wird entsprechend beanstandet. Die Beanstandungen werden nicht nach den Fahrzeugkategorien erhoben, sondern nach deren Grund. Darunter fallen dann letztlich alle Fahrzeugkategorien», schreibt die Luzerner Polizei. 

 

Wer mit einem getunten E-Bike erwischt wird, für den kann es teuer werden. Gemäss Polizei ist mit einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft wegen «Führen eines Fahrzeuges in nichtbetriebssicherem Zustand» zu rechnen. Das könne dann bei der Strafzumessung ganz happig werden. Das grösste Problem bei getunten E-Bikes liege darin, sich und andere aufgrund der erhöhten Geschwindigkeit massiv zu gefährden:

 

«Die Bremswege werden erheblich länger, die Sturzgefahr steigt und die Einschätzung für den übrigen Verkehr wird noch schwieriger.»

 

 

 

Software soll Tuning verhindern

Die Branche reagiert unterdessen auf den unerwünschten Trend, wie Marius Graber von Velociped erklärt: «Die grossen Hersteller von E-Bike-Motoren haben die Weitsicht und wollen nicht riskieren, dass E-Bikes in ein schlechtes Licht rücken.» Aus diesem Grund entwickelte der Marktleader Bosch eine Anti-Tuning-Software. Die Software soll während der Fahrt erkennen, ob das E-Bike manipuliert wurde. Sobald die Software das Tuning erkannt hat, schaltet der Motor in den Notlauf – die Motorunterstützung wird stark reduziert.

 

Auf dem Display wird zudem ein Fehlercode angezeigt. Nach 90 Minuten leistet der Motor wieder die volle Unterstützung und die Software sucht erneut nach Manipulationen. Nach der dritten Wiederherstellung kann nur noch der Fachhändler die Sperrung aufheben. Marius Graber sagt: «Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, die Hersteller versuchen, die Lücken in den Anti-Tuning-Softwares immer wieder mit Updates zu schliessen.»